Christian Freimuth „Klipp & Gefahr“ (VÖ: 12.04.2019 – Kombüse / Broken Silence)

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Ich sah zielloses Eilen und selten entschlossenes Zaudern, und ich fand schon als Kind eher Letzteres sinnig und schön.“

Klipp” sagen die Kinder in manchen Gegenden Norddeutschlands zum sicheren Ort beim Fangenspielen. Anderswo sagen sie Klippo oder Freio oder Aus, Himmel, Freihaus oder Biet, Insel, Müh oder eines von mehr als siebzig anderen Worten, die alle dasselbe meinen. Für kaum etwas kennt die deutsche Sprache so viele verschiedene und besondere Begriffe wie für die Verschnaufpause vom spielerischen Wegrennen – fürs kurze Kraftschöpfen, fürs selbstbewusste „Du kannst mir gar nichts” zwischendurch.

Christian Freimuth hat ein Gespür für besondere Worte wie diese – und für die Bilder, die sie erzeugen. Seinen Texten ist anzumerken, dass er Literatur studiert hat und bereits seit Jahrzehnten in allen möglichen Formen schreibt – für die Schublade genauso wie zum Gelderwerb und seit den neunziger Jahren auch zur Musik. Es macht seine Songtexte aus, dass sie selten den einfachen Weg gehen. Dass sie selbst scheinbar sichere Positionen lieber noch ein weiteres Mal hinterfragen und auf diese Weise auch komplexe psychologische Zusammenhänge präzise und poetisch erfassen.

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Das neue Album „Klipp & Gefahr“ handelt hauptsächlich vom Weglaufen, sich Sammeln und sich Stellen. In einer Zeit, in der es wichtiger ist denn je, Haltung zu bewahren und Position zu beziehen, fordert es nahezu dazu auf, im Kleinen anzufangen. Auch im Privaten und im Stillen, mit sich und in der Familie. Erst recht sogar dort. Denn die eigenen vier Wände und die Menschen darin sind nicht nur der größte Schutz, sie sind auch die größte Herausforderung, bedeuten Rückzug und Konfrontation, sind Klipp und Gefahr.

Dabei plädiert Christian Freimuth eindeutig für das entschlossene Zaudern und gegen das ziellose Eilen, für das Friedenschließen mit den eigenen Unzulänglichkeiten und gegen den Trend der Selbstoptimierung – vor allem aber für die dadurch gesammelte Kraft der Freiwilligkeit, wenn es wirklich auf sie ankommt.

Produziert und eingespielt hat Christian Freimuth die neuen Songs mit niemand geringerem als Tom Liwa, dem Gründer der Flowerpornoes, selber Ausnahme-Liedermacher und seit Mitte der Neunzigerjahre Freimuths großes Vorbild. Über einen Zeitraum von fast einem Jahr trafen sie sich immer wieder in Lübeck und entwickelten gemeinsam mit dem Engineer Michael Pfirrmann einen Sound, der Neil Youngs „Harvest“ ins Jahr 2019 holt. Der die Stimmungen von Lagerfeuergeschichten und Netflix-Gucken miteinander verbindet. Der perfekt inszeniert ist und gleichzeitig zufällig, lebendig und wahr.

Für diesen Sound spielten Freimuth und Liwa unzählige Akustikgitarren aus verschiedenen Jahrzehnten (um nicht zu sagen: Jahrhunderten) ein, zum Teil live zu zweit und mit Tom Liwas Hund zu ihren Füßen im Aufnahmeraum. Sie jagten E-Gitarren durch einen echten Röhrenverstärker und die Orgel durch einen rotierenden Leslie-Lautsprecher. Sie benutzten analoge Drum-Machines aus den Siebzigern statt schnöder Software-Plugins, ein echtes Klavier, eine Melodica, viele Mundharmonikas und was ihnen sonst noch so in die Hände fiel, um das Ganze am Ende analog von Nikolaus Schwab mastern zu lassen.

Die Platte rauscht, knackt und knistert, atmet und pulsiert, lebendig eben und nicht glattgebügelt. Sie sagt, dass es okay ist, wenn dir das Leben schon ein paar Schrammen beigebracht hat, dass es okay ist, wenn du nicht aus deiner Haut kannst, du manchmal zu viel Gewese um etwas machst oder mal ein Schluck Wasser in der Kurve bist – denn solang du der Schatten deiner selbst bist, steht auch ein Teil von dir im Licht.

Christian Freimuth wurde 1977 in Dortmund geboren, ist Vater von zwei Töchtern, lebt mit seiner Familie in Lübeck und arbeitet als Texter und Konzepter in einer Digitalagentur in Schwerin. „Klipp & Gefahr” erscheint am 12. April 2019 auf KOMBÜSE Schallerzeugnisse, dem Label der Hamburger Küchensessions.

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